Festival "Remembering Lonnie Donegan" in Essen

Dazu Augenzeuge Günter Middeldorf (1. Vorsitzender des Hamburger Skiffle Festival e.V.) in einem Rundfunkinterview: "Ich war am Samstag da, in Essen-Kettwig, und ich muss sagen, es war eine ganz tolle Stimmung, es war eine ganz tolle Musikauswahl, es war die Gruppe "Some old Friends" aus Essen da, natürlich auch Spitzenmusiker aus England, Dicky Bishop, Paul Leegan, Tony Donegan und alle anderen waren Klasse und haben für tolle Stimmung gesorgt!

Ich konnte bei einigen Musikern ganz klar feststellen, aus welcher Richtung sie kamen, nämlich dass sie ganz stark geprägt waren von der Musik, der Stimmung und natürlich dem Auftreten von Lonnie Donegan. Ich fand die Veranstaltung in Essen ganz toll, meine Freunde, mit denen ich da war, das waren übrigens die Jungs, mit denen ich vor 40 oder 45 Jahren schon mal Musik gemacht habe in Essen, die waren da, die waren natürlich alle begeistert.

Uns hat die Veranstaltung in Essen sehr gut gefallen, aber wir haben gehört, dass es am Vortag in Gelsenkirchen leider nicht die Resonanz hatte, die diese Veranstaltung eigentlich verdient hätte. " Das gesamte Interview zum herunterladen gibt es auf der Internetseite
der Old Boys Skiffle Corporation.


Festival "Remembering Lonnie Donegan"

von Lutz Eikelmann, 2004

Am 10. und 11. Dezember 2004 veranstaltete die junge Essener Popgruppe “Korn Twins” ( 2003 & 2004 im Finale des Deutschen Rock-&Pop-Preises in Hamburg ) in Zusammenarbeit mit Promoter Lutz Eikelmann zwei Konzerte zu Ehren des “King Of Skiffle“, Lonnie Donegan ( 1931-2002 ), unter dem Motto “Remembering Lonnie Donegan“, am Freitagabend im Revierpark Nienhausen in Gelsenkirchen, am Samstagabend im Alten Bahnhof in Essen-Kettwig. Beide Events wurden von den englischen Künstlern Paul Leegan, Dickie Bishop, Tony Donegan, den Korn Twins, der Essener “Some Old Friends Skiffle Group“ und der Dixieland-Band „Lutzemann´s Jatzkapelle“ gestaltet.

An beiden Abenden wurden die Gäste mit Dixieland empfangen, und die beliebte „Lutzemann´s Jatzkapelle“ sorgte im weiteren Verlauf des Abends in den Umbaupausen zwischen den Skiffle-Sets vor der Bühne unplugged für Kurzweil. Dabei griffen die Berufsmusiker, die ohne ihren in die Moderation des Abends und in die Begleitung der englischen Sänger involvierten Bandleader Lutz Eikelmann auftraten, auf eine Mischung aus swingendem Weihnachtsjazz ( z.B. “Santa Claus Is Coming To Town“, “Rudolph The Red Nosed Reindeer“, “White Christmas“ ) und unsterblichen Evergreens wie “You Are My Sunshine“, “Ice Cream“, “Shine On, Harvest Moon“ und “Ain´t She Sweet“ zurück. Trompeter Jörg Kuhfuß glänzte dabei auch als hervorragender Sänger im Stile der 20er und 30er Jahre, Manfred Möhl trat mit einem exzellenten Rhythmus und sehr melodischen Akkordsoli in Erscheinung, während Klarinettist Dr. Volker Riebeling mit flüssigem Spiel in Kollektiv und Soli zu gefallen wusste. Der studierte Musiker Jörg Drewing, seit Januar 2000 als Posaunist zur Band gehörig, vertrat diesmal den Bandleader Lutz Eikelmann am Sousaphon.

Die Essener Skiffle-Amateure “Some Old Friends“, seit den frühen 70er Jahren im Ruhrgebiet aktiv und beliebt, eröffneten dann beide Konzerte auf der Bühne. Ihr Leadsänger Claus-Günter Korn ist der Vater der Zwillinge Benny und Bastian, und seine Inspiration führte die Twins bereits im Vorschulalter an die Skiffle-Musik, später auch an Dixieland und Rock´n´Roll heran. Es dürfte ihn mit besonderer Freude und Stolz erfüllt haben, dass seine Jungs, die inzwischen eine vielversprechende Karriere in der Popmusik begonnen haben, gemeinsam mit Lutz Eikelmann alle drei Top-Acts dieser Skiffle-Konzerte, Dickie Bishop, Paul Leegan und Tony Donegan, hervorragend begleiteten.

Die “Some Old Friends“ gestalteten ihr Programm mit einer Mischung aus alten Skiffle-Standards und jüngerem Songmaterial wie zum Beispiel der im Ruhrgebiet recht kultigen Eigenkomposition ihres Pianisten Wilfried Elias, „Jupp von Krupp“. Besonders bemerkenswert war auch die Cover-Fassung eines Titels der „Leinemann Skiffle Group“, „Mein grünes Beinkleid“ --- einem deutschen Text auf den Western Swing Titel “My Dixie Darling“ aus dem Repertoire der Carter Family, der in der deutschen Textversion humorvoll die Vorzüge einer langen Unterhose schildert. Doch auch Titel wie die Randy Newman-Adoption eines alten Stephen C.Foster-Minstrel-Klassikers “My Old Kentucky Home“ belebten das Programm dieser Essener Kultband.

Der 2. Bühnenact war an beiden Konzertabenden der 69jährige Dickie Bishop, der 1955/56 mit Lonnie Donegan in der Chris Barber Skiffle Group und dann 1956/57 in Lonnie´s Band zusammenarbeitete. Er ist als Musiker u.a. auf den Top-Hits “Lost John“ ( Lonnie Donegan ) und “Petite Fleur“ ( Chris Barber ) vertreten. Dickie spielte später in den Jazzbands von Kenny Ball, Monty Sunshine, Rod Mason, Roy Pellett und vielen anderen und wurde zwischen 1994 und 2000 etliche Male von Chris Barber zu Konzerten mit Van Morrison eingeladen. Bei den “Remembering Lonnie Donegan“-Konzerten wurde er begleitet von Bastian Korn ( Klavier ), Benny Korn ( Schlagzeug ), Lutz Eikelmann ( Bassgitarre ) und Michael Minholz ( E-Gitarre ). Seine Serie wurde von dem Lutz Eikelmann-Instrumental und Motto-Song “Back To The Skiffle Craze“ eröffnet, in dem Michael Minholz seine Qualitäten als hervorragender Leadgitarrist beweisen und Bastian Korn als rockig-bluesiger Pianist glänzen konnte

v.l.n.r.: Bastian Korn, Benny Korn, Dickie Bishop, Lutz Eikelmann ( verdeckt ), Michael Minholz, Foto: Angelika le Vrang

Dann betrat der alte Hase Bishop unter großem Applaus die Bühne und bot ein eigenständiges Programm dar, welches überwiegend Titel seiner im Sommer 2000 mit Lutz Eikelmann eingespielten CD “No Other Baby“ beinhaltete: Country-u.Western-Songs wie “I Saw The Light“ & “Where Could I Go?“, den Gospelsong “I Shall Not Be Moved“, den Blues “In The Evening When The Sun Goes Down“, aber auch Woody Guthrie-Klassiker wie “Blowing Down The Old Dusty Road“ und “New York Town“ ( hier stieß der exzellente Bluesharp-Player Robert Maruhn hinzu! ), den Ledbelly-Song “Keep Your Hands Off Her“, den Dickie in den 50er Jahren von Big Bill Broonzy im Rahmen einer Tournee mit der Chris Barber Jazzband lernte, und natürlich auch seine Hit-Komposition “No Other Baby“, die von vielen Popkünstlern wie z.B. “Vipers Skiffle Group“, Bobby Helm, Shadows, Vince Eager, Jet Harris, Sir Paul McCartney u.v.a. gecovert wurde.

Obwohl Dickie einige Songs darbot, die in den 50ern zu Lonnie Donegans Repertoire zählten wie z.Bsp. “I Shall Not Be Moved“, “In The Evening“ und “New York Town“, sieht er sich selbst doch als zu eigenständiger Künstler, um selbst in einem “Remembering Lonnie Donegan“-Konzert nur Donegan-Titel darzubieten. Aber als einer der letzten noch aktiven Weggefährten aus Lonnies Frühzeit und wichtiger Zeitzeuge der Skiffle Ära der 50er Jahre, als der er schon 2003 in Spencer Leigh´s BBC-Feature bei “Radio Merseyside“ / Liverpool gefeatured wurde, gehörte er unbedingt in das Programm dieser Konzerte. Dickies Serie wurde auch durch ein besonderes Feature für Pianist und Bluessänger Bastian Korn, der mit Lonnie Johnsons “I´ve Got Rocks In My Bed“ einen Lieblingsblues Lonnie Donegans darbot, hervorragend aufgelockert. Trotz der für Blechbläser ungewöhnlichen Tonart D-Dur wusste der zu diesem Blues hinzukommende LJK-Musiker Jörg Drewing mit einem virtuosen, kraftvollen und begeisternden Posaunensolo zu überzeugen, welches er innerhalb der drei Solochorusse noch zu steigern wusste.

Der dritte Bühnenset gehörte Paul Leegan. Der aus Coventry stammende Sänger und Banjospieler, Jahrgang 1946, war über viele Jahre mit Lonnie eng befreundet. Wie schon bei Dickie Bishop bestand die Backing-Band aus Bastian&Benny Korn sowie Lutz Eikelmann und dem erst 22jährigen begabten Rockabilly-Gitarristen Warren James, der seit einigen Jahren zur Paul Leegan Band gehört und diese dritte Serie mit drei Nummern ( “Lonnie Donegan Gospel Medley“, dem Woody-Guthrie-Klassiker “Big Grand Coulee Dam“ und Lonnies Blues der 90er Jahre “When I Get Off This Feeling“ ) eröffnete, bevor Paul Leegan auf die Bühne gebeten wurde. Paul animierte mit seiner ersten Nummer “Pick A Bale Of Cotton“ ( Lonnie Donegans letzter Hit-Single, bevor ihn die Beatles 1962 aus den Charts verdrängten ) sofort das Publikum, welches sich mit rhythmischem Klatschen und Mitsingen dieses Worksongs gerne auf diesen Künstler einließ.

v.l.n.r.: Benny Korn, Paul Leegan, Lutz Eikelmann, Warren James, Foto: Angelika le Vrang

Es folgte der Railroadsong “The Wreck Of The Old 97“, dann der Skiffle-Klassiker “Midnight Special”, den Paul Leegan zu neuem Leben erweckte, obwohl die Nummer durch zehntausende Hobby-Skiffler und Lagerfeuer-Gitarristen bereits zu Tode geschrubbelt worden zu sein schien. Der sehr charismatische Donegan-Freund Paul Leegan fesselte die Zuschauer durch seine unterhaltsame und zugleich informative Ansagen und ließ es auch an seiner Freude teilnehmen, stolzer Besitzer einer Lonnie-Donegan-Skiffle-Gitarre zu sein, von der der amerikanische Gitarrenhersteller Martin 2002 nur 72 Modelle herstellen ließ, allesamt handsigniert von Lonnie selbst. Paul berichtete, dass sein Exemplar am 30. Oktober 2002 geliefert wurde, er dann am Nachmittag dieses Tages Lonnie Donegan vor seinem Konzert in Nottingham aufsuchte und Lonnie die erste Person war, die auf dieser Gitarre spielte – an diesem Nachmittag ahnte noch niemand, dass Lonnie nach dem abendlichen Konzert kollabieren und nur wenige Tage später am 3. November 2002 sterben würde...

Es ging weiter mit dem 1960er Donegan-Hit “I Wanna Go Home“, der auf einem von den Bahamas stammenden Shanty ( “The Sloop John B.“ ) basiert, dann griff Paul Leegan wieder zum Banjo und bot Lonnies 1957er Nr.1-Hit “Putting On The Style“ dar. Dann beschloß er seine Serie mit einem weiteren Gospel-Medley “Down By The Riverside“ / “This Train“ / “When The Saints Go Marching In“, in welchem alle Begleitmusiker, Warren James, Bastian & Benny Korn sowie Lutz Eikelmann solistisch zum Zug kamen.

Nun kam Lonnies ältester Sohn Tony Donegan ( geboren am 8.November 1967 ) auf die Bühne, begleitet von seinem exzellenten Gitarristen Dean Smith, dem virtuosen indischen Bassgitarristen John de Silva, wohnhaft in Hagen-Hohenlimburg, Bastian und Benny Korn sowie Lutz Eikelmann, der diesmal Tamburin, Shake, Waschbrett und Train Whistle bediente. Tony, der seinen Vater Ton für Ton zu kopieren sucht, eröffnete seine Serie mit den gleichen Titeln, die der alte Donegan jahrzehntelang als Warm-Up in seinem Live-Act verwendete: mit dem Worksong “Can´t You Line´em“, gefolgt von “New Burying Ground“ und dem “Worried Man Blues“.

v.l.n.r.: Tony Donegan & Dean Smith, Foto: Angelika le Vrang

Es folgte mit “Battle Of New Orleans“ ein weiterer Donegan-Standard, dann kam der Banjospieler Helmuth Korn für “Jesse James“ und “Railroad Bill“ hinzu. Lonnies 2.Top-Hit “Lost John” und der durch seine Aufnahmen mit Van Morrison bekannte “Muleskinner Blues” waren die nächsten Programmpunkte. Dann ließ Tony Donegan erstmals ein paar moderierende Worte vernehmen: “Dad´s repertory was enormous, he played hundreds of songs, but he became famous with the most silliest songs ever made like `Dustman´ & `Does Your Chewing Gum Loose Its´ Flavour On The Bedpost Overnight?´.” Dann ließ er “Chewing Gum” folgen, um dann anschließend direkt in den Song überzugehen, mit dem 1956 Lonnies Solokarriere als Popmusiker begonnen hatte: “This Yere De Story Of The Rock Island Line...“

Am Freitagabend in Gelsenkirchen gab es danach das große Finale mit allen Skifflern und Jazzern und den Titeln “Mama, Don´t Allow“ sowie “Over In The Gloryland“, während am Samstagabend zum Finale in Essen Tony Donegan “Corrine, Corrina“ sang und Paul Leegan, Dickie Bishop, Warren James, C.G.Korn und “Lutzemann´s Jatzkapelle“ einfach nur auf die Bühne kamen – ohne jedoch noch solistisch aktiv zu werden. Manchem Zeugen beider Abende, so die für das Merchandising zuständige 27jährige Vivien, sagte jedoch die erste Zugabenvariante mit “Mama, Don´t Allow“ & “Gloryland“ mehr zu. Und Trompeter Jörg Kuhfuß lobte sehr wie exzellent und professionell Paul Leegan am ersten Abend durch diese Jam-Session geführt hatte.

Finale "Corrine, Corrina" am 11. Dezember 2004 in Essen-Kettwig

v.l.n.r.: Paul Leegan ( verdeckt ), Lutz Eikelmann, Tony Donegan, Dickie Bishop, Warren James, Dean Smith & Claus-Günter Korn. Foto: Volker Riebeling

Trotz des nicht optimalen Zuschauerzuspruchs in Gelsenkirchen (bei ausverkauftem Haus in Kettwig!) war dieses Skiffle-Wochenende gewiß eine runde und für alle Zuschauer erfreuliche Sache. Viele Leute gaben sowohl im Anschluß an die Konzerte sowie in den folgenden Wochen ein weitgehend sehr positives, aber auch z.T. sehr kritisches Feedback, in dem vor allem die Authentizität und die Entertainer-Qualitäten Paul Leegans besonders hervorgehoben wurden.

Dagegen war die Tony-Donegan-Serie vielen Hörern einfach zu wild, zu aggressiv und zu laut. „Der schreit ja nur!“ und „Langsame Titel spielt er wohl nicht!“ waren wiederholte Kommentare. Sicherlich hat der Donegan-Junior Einiges von der Vitalität seines Vaters, die dieser einst in up-tempo-Titeln wie “Fort Worth Jailhouse“, “Cumberland Gap“, “Don´t You Rock Me Daddy-O“ oder “Gambling Man“ auszutoben wusste, aber leider kam die andere Seite Lonnie Donegans, ein Meister auch der leisen Töne zu sein ( man höre beispielsweise “Nobody Loves Like An Irishman“/1958, “Over The Rainbow“&“The Party´s Over“/beide 1962 ), eindeutig zu kurz. In dem zur Zeit in Großbritannein tourenden Musical “The Story Of Lonnie D“ ergänzt Tonys Halbbruder Peter Donegan die Show um diese musikalische Seite seines Vaters, während Tony für die Seite des “King Of Skiffle“ zuständig ist, die er selbst mit “My Dad was a well-behaved punk, a punk in dinner jackets“ auf den Punkt zu bringen sucht.

Es war im Rahmen dieser “Remembering Lonnie Donegan“-Konzerte ebenfalls auffällig, dass Tony Donegan auch als Entertainer (noch ?!) nicht in den Spuren seines Vaters wandelt, der jahrzehntelang, zunächst im britischen Variety business, dann in Las Vegas und New York City zu den führenden internationalen Allroundentertainern zählte. Dennoch, man darf gespannt sein, was sich in Sachen professionelle Skiffle-Musik noch tun wird...

Um den “King Of Skiffle“ Lonnie Donegan, der mit 34 TOP-Twenty-Hits zu den zwanzig erfolgreichsten Hitsängern des 20.Jahrhunderts zählt, erneut ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit zu bringen, waren diese Konzerte und die damit verbundene Promotion gewiß den Aufwand wert. Wenn Sie nicht dabei waren, haben Sie etwas verpasst, liebe Musikfreunde!

Lutz Eikelmann ( Waschbrett ) Foto: Volker Riebeling

© Lutz Eikelmann, Dezember 2004